Gedichte waren und bleiben eine besondere Herausforderung. Ein oder zwei starke Bilder zu finden, einen Gedanken mit einem Gefühl in wenigen Zeilen zu verdichten, sich zu begrenzen und dadurch zu klären.
ZEIT
Johera trug
Den Krug
Auf ihrem Kopfe
Sodass kein Tropfen
Vom Gut
Verloren gänge
Wie geschickt
Ihr Genick
Ihre Hände
Und ging ihres Wegs
Vom Durst getrieben
Doch war
Am Ende
Kein Tropfen
Geblieben
Nun war vielleicht
Der Weg zu lang
Die Sonne stand
Zu hoch?
DIE ALCHEMIE LANG VERLORENER SPRACHE
Herbststürme. Dachschindelmoose kalben
Ausgelutschte Bierdosen tanzen bordsteinlängs
Der Nachlass von in Träumen marodierenden Alben
Nur Nachlese von Versprengtem. Keine Quintessenz
Wir Alchemisten rühren an wunderbarer Verwandlung
Wir schreiben Literaturliteratur für mikroskopische Verlage
Die Verdichtung des Stilllebens zu Ungunsten der Handlung
Ist unser nächtliches Wortbergwerk tief unter Tage
Erstarrt ... erstarrt in unsren schwarzgemalten Bildern
Zwischen all den nie versprochenen Rosengärten
Disziplinieren wir gekonnt unser eigenes Verwildern
Zu unsrem und zu Eurem Schutz - jedoch: es bleiben Härten ...
MONDSÜCHTIG
Wir liebten uns auf hoher See
Auf dem goldenen Schiff der Ahnungslosen
Wir kümmerten uns nicht um das Nachtgestirn
Wir wussten ja nichts von Wohl und Weh
Von all den kalten Gefahren im Meer
Nichts macht die Liebe so gut wie Gelegenheit
Der Zauber des Unverhofften schreit Freiheit
Und schleift eine Bärenfalle hinter sich her
Was wir verlören, was wir gewönnen ...
Wir waren das Zählen noch nicht gewohnt
Wir wussten: Die Gezeiten erschaffen den Mond
Und so hätten wir ewig lieben können
IM IRRGARTEN IHRES LÄCHELNS
Wälle aus Leibern all der versäumten Geliebten
Verwachsen mit Weinranken und Rosenstock
Blätter und Blüten ausgetrieben zum Block
Ein Steinwurf zu den Brennnesselhalden der Besiegten
Bewusst zu einer Unordnung geordnet um
Ein Kichern im Zikadengesang zu verstecken
Und das Tränensalz in feuchten Ecken
Versickern zu lassen ... So blicken wir stumm
Und auch ein wenig überrascht einander an
Wie lernt man des Anderen Seele ermessen?
Ich hab die Bedeutung Deines Lächelns vergessen
Und warum überhaupt dieses Flackern begann
So irrlichtern wir nun durch den Garten und der
Mond bestäubt all die verblassten Gesichter
Wozu braucht die Liebe einen blinden Richter?
Komm! Warte nicht! Wir machen ein Wunder ...
IM STERN DES SCHMERZES
Jäh durchbrochen, durchdrungen von dir, restlos entleert
Hast dich durchgefressen an meiner Liebe Fülle
Meine Haut verkam zu kaum mehr als deiner Hülle
Warum ließ ich gewähren und hab mich nicht gewehrt
Du beherrschst mein Denken, tauchst in meinen Traum
Bohrst dich wie ein Wurm verquer durch meine Seele
Wanderst durch mein Leben, als wenn es nichts zähle
Lässt meinen Stumpf zurück in einem leeren Raum
Auf dieser Seite meines Lebens Spiegel
Nenn ich Unheil dich, Zerstörer, Ungetüm
Doch tief unter meines Herzens Siegel
Weiß ich dich Wunder, Liebe, tiefstes Glühn
Bist kein Stern von vielen in himmelklarer Nacht
Bist in mir einzig, leuchtest unter Tage
Nicht Stern der Hoffnung, die dein Lächeln macht
Bist Stern des Schmerzes, den ich in mir trage
Aus der Sammlung: Rotlichter
Kiezkrieg
So seid ihr:
Opfer der Nacht ...
Ich habe Dich gekauft und
Deine Lippenschenkel
Spreizen sich für mein Florett/
Mit Macht bohrt sich der
Stoßzahn - Blut Dein Lippenstift -
Tief in Deinen Schlund;
Du stöhnst gekonnt nach
Luft ...
Im Eingang dieser Steige
Zückt indes ein
Rival Deines Schützers
Seinen kahlen Türkendolch und
Dein Besitzer stöhnt - wie Du!-
Als jene krumme Klinge rasch
Zweidreimal
Seinen Ludenranzen schlitzt;..
Der Mordgeselle schwitzt - wie Du!-
Bei seiner Arbeit und
Gradso wie Deines Herrschers
Blut feucht
Über seine Amsel sickert, verströmt
Sich meine Auster nun
Über Dein
Gesicht ...
Aus der Sammlung: Rotlichter
Die heilige Yolante
Der Nachtportier im Paradies
Schnürt einen Wäschesack
Voll saftbefleckter Leinen
Man klingelt ihm nach
RotemKrim und manchmal auch
Nach schaurigschönem Grusel ...
Das Dunkel seine Heimat sonst;
Sein Anzug hatte Vorbesitzer
Die Finger seiner Linken
- einzeln ausgerissen - sind
Vierzig Jahre Staub in der
Ukraine; die Kolben
Feindlicher Gewehre fraßen
Sein Gesicht ...
Der VogelLieblich zwischen seinen
Beinen hat sich seither
Nichtmehr zum Flug emporgereckt
Kein Hurenschlecken
- nicht für alle Taler -
Verwöhnt den welken Schweif ...
Verspottet und
Verhöhnt, der flügellahme Greif
Als sie jedoch den wanken Hünen vor
Solcher Sehnsucht weinen sah,
Da faßt Yolante sich ihr
Sorgsam abgewetztes Herz
Und frischt Erinnerung ...